Umstrittene Studie der Bertelsmann Stiftung entfacht Debatte um Neuordnung der Gesundheitsversorgung
Disput über den Weg, aber einig in der Sache: Eine Studie der Bertelsmann Stiftung, die empfiehlt, von knapp 1400 Kliniken in Deutschland 1000 zu streichen, hat die Debatte um die Gesundheitsversorgung in Deutschland neu entfacht. Der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) Dr Gerald Gaß beispielsweise hält das Vorhaben für abenteuerlich. Einig sind sich die Beteiligten aber in dem Ansinnen, die Gesundheitsversorgung in Deutschland zu verbessern. Deshalb haben sich neben anderen Bertelsmann Stiftung, Deutsche Krankenhausgesellschaft sowie die Bundesverbände Bundesverband Beschwerdemanagement für Gesundheitseinrichtungen (BBfG) und Bundesverband Patientenfürsprecher in Krankenhäusern (BPiK) als Jurymitglieder und Unterstützer dem Award Patientendialog angeschlossen.
„In Deutschland gibt es zu viele Krankenhäuser“, verkündet die Bertelsmann Stiftung auf ihrer Website eine gewagte These. „Eine starke Verringerung der Klinikanzahl von aktuell knapp 1.400 auf deutlich unter 600 Häuser, würde die Qualität der Versorgung für Patienten verbessern und bestehende Engpässe bei Ärzten und Pflegepersonal mildern“, heißt es weiter. Viele Krankenhäuser seien zu klein und verfügten oftmals nicht über die nötige Ausstattung und Erfahrung, um beispielsweise lebensbedrohliche Notfälle wie einen Herzinfarkt oder Schlaganfall angemessen zu behandeln. Mit einer Konzentration auf deutlich unter 600 statt heute knapp 1.400 Kliniken wäre eine bessere Ausstattung, eine höhere Spezialisierung sowie eine bessere Betreuung durch Fachärzte und Pflegekräfte möglich.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft sieht das anders und geht in Anbetracht der Forderungen auf die Barrikaden. „Wer vorschlägt, von ca. 1.600 Akutkrankenhäusern 1.000 platt zu machen und die verbleibenden 600 Kliniken zu Großkliniken auszubauen, propagiert die Zerstörung von sozialer Infrastruktur in einem geradezu abenteuerlichen Ausmaß, ohne die medizinische Versorgung zu verbessern“, macht DKG-Präsident Dr. Gerald Gaß seinem Unmut Luft. Das zentrale Qualitätsmerkmal eines jeden Gesundheitswesens sei der flächendeckende Zugang zu medizinischer Versorgung, erinnert er und schickt einen Seitenhieb an die Experten der Studie: „Dass Krankenhäuser mit bis zu 300 Betten mit einem Leistungsspektrum in der medizinischen Grundversorgung, zu der Verletztenversorgungen, allgemeine Chirurgie, viele Erkrankungsbilder aus der Inneren Medizin, Lungenentzündungen, Vergiftungen, altersmedizinische Erkrankungen und schwere Grippefälle gehören, unter den Generalverdacht des Qualitätsdefizits gestellt werden, ist ohne jegliche Evidenzen.“
So konträr die Meinungen beider sind, einig sind sie sich in ihrer Absicht, die Gesundheitsversorgung zu verbessern und Defizite auszuräumen. Dazu engagieren sich sowohl Dr. Gerald Gaß als auch Uwe Schwenk, Programmdirektor der Bertelsmann Stiftung, für den Award Patientendialog. Mit dem im vergangenen Jahr erstmals vergebenen Award werden Kliniken ausgezeichnet, die nicht nur eine nachweisbar hohe medizinische Qualität vorweisen, sondern darüber hinaus mit verschiedenen Projekten und Aktionen stets das Wohl der Patienten in den Fokus setzen und sich auf allen Ebenen und in besonderer Weise um den Dialog mit ihren Patienten und Angehörigen bemühen. Dazu zählen ein engagiertes Beschwerdemanagement ebenso wie eine unabhängige Patientenfürsprache, patienten- und werteorientierte Gesundheitskommunikation zum Beispiel im Rahmen einer Patientenhochschule sowie enge Zusammenarbeit mit Fachgesellschaften und Selbsthilfegruppen.
Gewinner des vergangenen Jahres ist das Klinikum Dortmund, das die Jury unter anderem mit seinem umfassenden Konzept und Service-Leistungen für Patienten wie Check-In-Möglichkeit über die Homepage, Übersetzung der Website-Inhalte in einfache Sprache und selbst entwickelten Vorsorge-Apps von sich überzeugte. Auf den Rängen zwei und drei folgten das DRK-Krankenhaus Clementinenhaus Hannover und die Universitätsmedizin Göttingen.
Für den nächsten Durchgang können Kliniken ihre Bewerbung bis 1. Oktober 2019 über das Formular auf https://patientendialog.de/bewerbung-award/ einreichen. Die Teilnahme ist kostenlos. Vergeben wird der Award im Rahmen der BPiK-Fachtagung, die am 20. November auf dem Deutschen Krankenhaustag in Düsseldorf am Rande der Medica stattfindet.